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Bremen 1960:
Das Segelschulschiff Deutschland (mit schwarzem Rumpf) an der Stephanibrücke
Spill auf dem Vorschiff
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Segelschulschiff
"Schulschiff Deutschland"
Ausbildung an Bord des Segelschulschiffes
(um 1960)
Berufsbild des Matrosen in der Seeschiffahrt (1960)
Ausbildung an Bord des Segelschulschiffes
Allgemeines
Die Auszubildenden (Seemannsschüler) der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gehörten auf dem Segelschulschiff Deutschland noch zur Nachkriegsgeneration bzw. wurden noch im Krieg geboren. Nur unter Berücksichtigung der damaligen kargen Zeit waren die Umstände, unter denen die Ausbildung auf dem Segelschulschiff durchgeführt wurde, zu verstehen. Es wurde ausschließlich für den nautischen Zweig (...eines Seemannes für den Decksdienst in der Handelsmarine...) der Seefahrt ausgebildet. Maschinen- oder Servicepersonal für den Decksdienst in der Handelsschifffahrt wurde hier nicht geschult.
Kosten (Auszug aus einer Bescheinigung des Deutschen Schulschiff-Vereins - Seemannschule - "Schulschiff Deutschland" -staatliche genehmigt- vom 17. November 1959):
"Die Kosten für diese Vorausbildung betragen laut Einstellungsbedingungen":
Für Verpflegung und Unterkunft: |
DM 300.- |
Für die erste seemännische Kleiderausrüstung |
DM 085.- |
Für die vertrauensärztliche Untersuchung |
DM 012.- |
Für die Ausstellung eines Seefahrtsbuches |
DM001.- |
Taschengeld (Mindestsatz für 3 Monate) |
DM 030.- |
zusammen |
DM 428.- |
Kurse
Ein Kurs bestand aus etwa 40 Personen. Da die Ausbildungszeit drei Monate betrug, wurden etwa 120 Personen gleichzeitig ausgebildet. Anschließend konnte man als Schiffsjunge (Moses) zur See fahren. Nach weiteren neun Monaten wurde man zum Jungmann "befördert" (umgemustert). Nach 12 Monaten Fahrenszeit erfolgte die "Ernennung" zum Leichtmatrosen. Nach einer weiteren Fahrenszeit von 12 Monaten konnte man eine Prüfung zum Matrosen (Vollmatrosen) ablegen. Befand man sich auf einem längeren Törn (Fahrt), so konnte die Ummusterung zum Matrosen durch den Botschafter einer deutschen Auslandsvertretung durchgeführt werden.
Ausbilder
Die Ausbildung an Bord des Schulschiffes wurde von einem Kapitän (Schulleiter), drei (Ausbildungs-) Offizieren und drei (Ausbildungs-) Bootsleuten (Unteroffiziere) durchgeführt. Unterstützt wurde aus den Reihen der Schüler, die einen Klassenältesten, d.h. einen "Matrosen vom Dienst" wählten. Zur damaligen Zeit gab es weder Frauen unter den Schülern, noch unter dem Lehrkörper. Als das Schiff noch segelte, bestand die Stammbesatzung aus 10 Offizieren, 10 Unteroffizieren und sechs Matrosen bei etwa 140 Auszubildenden (Zöglingen).
Schlafen, Essen, Ausbildung
Schlafen, Essen und ein Teil der theoretischen Ausbildung fand in ein und demselben Raum statt. Zum Schlafen dienten Hängematten. Diese wurden jeden Morgen gezurrt, von einem Wachhabenden an Deck kontrolliert und anschließend Platz sparend außerhalb in der Segelkoje verstaut. Alle Hängematten waren nummeriert um Verwechslungen auszuschließen.
Mit dem Befehl Backen und Banken wurden die Tische (Backen) und Bänke, die unter der Raumdecke befestigt waren, herabgelassen. Jetzt konnte gegessen und der Unterricht durchgeführt werden. Eine optimale Raumausnutzung. Abends erfolgte das umgekehrte Verfahren. Die Tische und Bänke wurden hochgeklappt, die Hängematten geholt und aufgehängt. Ab und zu fiel jemand aus der Hängematte. Dann wurde gerätselt, ob derjenige einen Albtraum hatte oder ob jemand durch Anheben einer Seite der Hängematte nachgeholfen hatte. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Dienst, Landgang, Urlaub
Der Dienst (Unterricht) begann täglich um 8 Uhr und endete meist gegen 17 Uhr.
Landgang gab es nur mittwochs, sonnabends und sonntags bis 21 Uhr. Für einen Wochenendurlaub mussten die Erziehungsberechtigten ihr Einverständnis geben.
Berufsbild des Matrosen in der Seeschiffahrt (1960)
I. ARBEITSGEBIET
Sämtliche Arbeiten, die der Matrose für die Indienststellung und Fahrt, für die Beladung und Entlöschung, für die Sicherheit und Seetüchtigkeit und für die Instandhaltung und Sauberkeit des Schiffes im Hafen und während der Reise verrichten muß.
II. KENNTNISSE UND FERTIGKEITEN, DIE WÄHREND DER AUSBILDUNG ERWORBEN WERDEN SOLLEN
Schiffskunde: Zweck, Benennung, Bau-Typen, Größenvorstellung, Antriebsmaschinen, Ruder- und Deck-Hilfsmaschinen, Kenntnis der Einrichtungen.
Brücken- und Wachdienst: Kompass und Steuern, Loggen und Loten, Lichterführung, Fahrtregeln, Flaggen der Seefahrtnationen, Signale, Bedienung der Anker und Leinen, Seezeichen, Wetterkunde.
Ladungsdienst: Raumwache, Behandlung der Ladung, Anschreiben von Ladung, Ladegeschirr, Schwergut, Arbeiten an den Luken und im Raum.
Seemännische Arbeiten: Kenntnis und Behandlung von Werkzeug und Werkstoff, sämtliche Arbeiten mit Tauwerk, Drähten und Ketten, Segelnähen, Reinigen, Scheuern, Ölen, Konservieren und Malen von Holz und Eisen, Behandlung von Farben und Konservierungsmitteln.
Sicherheitsdienst: Aus- und Einsetzen von Booten, Pullen, Wriggen, Segeln, Kenntnis der Sicherheitseinrichtungen und Rettungsgeräte, Arbeiten mit Feuerlösch-, Sauerstoff- und Frischluftgeräten, Kenntnis der Sicherheitsrollen, Schwimmen, Ausrüstung der Boote, Erste Hilfe bei Unglücksfällen, Rettungsboots- und Feuerschutzdienst im Sinne der Vorschriften der See - Berufsgenossenschaft.
Signaldienst: Nationalflaggen, Internationale Signalflaggen, Lichtmorsen, Flaggen an- und abstecken, vorheißen, niederholen und auftuchen, Notsignale.
Rechtskunde: Seemannsordnung, Tarifrecht, Sozialversicherung, Unfallverhütungsvorschriften, Vorschriften über die Heuerstellen sowie des Zoll-, Paß-, Devisen- und Polizeirechts.
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