Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung... Wider den Schlußstrich unter die Vergangenheit
(aus: Ein Begleitheft zum Historischen Lehrpfad am ehemaligen KZ-Außenlager Walldorf)
Lehrpfad
Der Lehrpfad um das ehemalige Konzentrations-Außenlager Walldorf beginnt an dem im März 1980 der Öffentlichkeit übergebenen Gedenkstein an der Nordendstraße / Familie-Jürges-Platz in Walldorf. Von hier aus verläuft der öffentlich zugängliche Lehrpfad rund um das ehemalige Gelände des Lagers. Wie sich eine der ehemaligen Insassinnen erinnert, "... bestand das Lager aus ca. fünf Blocks sowie Küche und Bürobau. Die Baracken waren aus Holz gebaut und einstöckig. Etwa 30 - 40 Mädchen waren in einem Schlafraum mit dreistöckigen Betten untergebracht..."
Entlang des Lehrpfades stehen 16 zum Teil bebilderte Informationstafeln zur Geschichte des Lagers.
Aufbereitung. Wider das Vergessen
Nach 1945 begann die Zeit des Vergessens. Für die Nachkriegsgesellschaft begann die Zeit des Wiederaufbaus und des Neuaufbaus. In den 50er Jahren wurde das Gelände neu bepflanzt und geriet immer mehr in Vergessenheit. Während einer Studienfahrt ins ehemalige KZ Buchenwald entdeckten drei Jugendliche aus Walldorf 1972 einen Plan, auf dem auch das Außenlager Walldorf aufgeführt war. Weitere Recherchen ergaben, dass im Waldgelände bei Walldorf ab dem 22. August 1944 bis November 1944 eine Außenstelle des elsässischen KZ Natzweiler bestanden hat, in der bis zu 1.700 jüdische Ungarinnen untergebracht waren. 50 der Frauen starben auf qualvolle Weise an Entkräftung, Krankheit oder wurden ermordet.
Die Gefangenen sollten auf dem Frankfurter Flughafen unter unmenschlichen Bedingungen eine betonierte Rollbahn bauen. Die drei Jugendlichen, Alfred J. Arndt, Herbert J. Oswald und Gerd Schulmeyer forschten weiter nach und machten dabei die Erfahrung, dass sie in ihrer Heimatgemeinde auch als „Nestbeschmutzer“ angesehen wurden.
Doch allen Widerständen zum Trotz setzten sie ihre Arbeiten fort.
Aufbereitung durch den Flughafenbetreiber
In den 90er Jahren wurde auch von dem Flughafenbetreiber, der Fraport AG (ehemals FAG), mit der Aufbereitung der Vergangenheit begonnen.
Die TH Darmstadt erarbeitete einen wissenschaftlichen Bericht.
Kommunikation zum
„KZ-Außenlager-Walldorf“
1996 schlug die Walldorfer Stadthistorikerin und Museumsleiterin von Mörfelden und Walldorf, Cornelia Rühlig, einen Maßnahmenkatalog zur Erarbeitung und Kommunikation zum Thema „KZ-Außenlager-Walldorf“ vor. Eines der Ziele dabei war die Errichtung eines Lehrpfades. Die Unterstützung in der Bevölkerung hatte zugenommen. Viele freiwillige Helfer standen zur Verfügung.
Eröffnung des Lehrpfades
Mit dem Gedenkstein als Ausgangspunkt wurde am 15. Oktober 2000 der historische Lehrpfad eröffnet. Einige überlebende Frauen aus dem ehemaligen KZ-Außenlager Walldorf nahmen an der ergreifenden Eröffnung teil, bei der die Namen aller 1.700 internierten Frauen verlesen wurden.
„Den jungen Leuten sei gedankt, denn ohne Erinnerung finden wir keine Zukunft“ sagte der Schriftsteller Peter Härtling bei der Feierstunde.
Verantwortung und Pflege
Die Verantwortung und die Pflege des Lehrpfades übernehmen jeweils die 12. Klassen der Bertha von Suttner Schule in Mörfelden-Walldorf.
10 Jahre Lehrpfad
Am 21. November 2010 fand anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Lehrpfades unter reger Anteilnahme der Bevölkerung eine Feierstunde am Gedenkstein des KZ-Außenlagers Walldorf statt.
Fotostrecke
Konzentrationslager Natzweiler
Am 21. April 1941 errichten die Nazis an einem "Der Struthof" genannten Ort bei Natzweiler ein Konzentrationslager.
Das Hauptlager ist das einzige Konzentrationslager auf französischem Boden und lag im damals besetzten Elsass. Seine etwa 70 Nebenlager, darunter die Außenstelle Walldorf, lagen auf beiden Seiten des Rheins. Von den ca. 52.000 Deportierten des KZ-Natzweiler haben etwa 35.000 das Hauptlager nie gesehen.
Im Lager, das als Arbeitslager für die NS-Kriegsindustrie diente, wurden auch medizinischen Experimente der Naziprofessoren der Universität des Reichs in Straßburg durchgeführt.
Am 23. November 1944 entdecken die Alliierten die Anlage, die unmittelbar davor von den Nazis aufgegeben worden war. Für einige der Deportierten der Nebenlager setzt sich der Leidensweg im Frühjahr 1945 mit den Todesmärschen noch fort.
Von 1941 bis 1945 ist das KZ-Natzweiler eines der mörderischsten Lager des NS-Systems. Fast 22.000 Deportierte sind hier durch Misshandlungen, an Krankheiten und Erschöpfung sowie in der Gaskammer für "medizinische Experimente" gestorben.
Ende August 1944 befreiten die Alliierten Paris, es folgten Nancy und am 23. November Straßburg.
Die meisten Gefangenen wurden in das bayerische KZ Dachau verlegt. In Natzweiler verblieben etwa 20 SS-Angehörige und etwa 20 Häftlinge. Das Stammlager wurde zu dem Zeitpunkt aufgelöst, als 1.700 ungarische Jüdinnen im Außenlager Walldorf ankamen (22.8.1944).
Am 24. November 1944 wurde das Lager in Walldorf aufgelöst, die damals noch 1650 Jüdinnen wurden in das KZ Ravensbrück transportiert. Das Kriegsende erlebten nur etwa 350 der in Walldorf inhaftierten Frauen.
Am 25. November 1944 erreichte eine amerikanische Infanteriedivision das geräumte KZ Natzweiler. Doch hatte die mörderische Verwaltung des KZ-Natzweiler nicht aufgehört zu existieren. Unter dem gleichen Namen wurde die Kommandantur von Guttenbach und Binau (bei Neckarelz) aus fortgesetzt. Durch das Überschreiten des Rheins durch die Alliierten im März 1945 wird das zweite Ende der Geschichte des KZ-Natzweiler besiegelt. Doch davor wurden noch viele der Außenlager aufgelöst und die Insassen auf so genannte Hunger- oder Todesmärsche getrieben. Viele, die nicht an Hunger starben, wurden erschossen. Andere wurden in Güterwaggons nach Dachau, Bergen-Belsen und Buchenwald transportiert.
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Aus einem Ort des Nazi-Terrors wird ein Ort des Gedenkens und Lernens.
Symbolischer erster Spatenstich für neue Gedenkstätte in Walldorf
Am Sonntag, 23. November 2014, erfolgte im Rahmen einer beeindruckenden Feierstunde auf dem Gelände der ehemaligen KZ-Außenstelle der erste Spatenstich für eine neue Gedenkstätte. Diese wird zugleich ein aktiver Studienort für junge Menschen sein. Das neue Gebäude wird den freigelegten “Küchenkeller”, der gleichzeitig auch Folterkeller war, einhausen.
Studenten und Schüler haben im Laufe der letzten zehn Jahre diesen Küchenkeller wieder ausgegraben. Dieser Ort soll nun in würdiger Form geschützt und zugleich ein Studienort geschaffen werden.
Organisiert wurde das Projekt von der Margit-Horváth-Stiftung (benannt nach einer Inhaftierten, die nach Jahrzehnten des Schweigens, doch noch detailliert und biographisch erzählte und so entscheidend dazu beitrug, dass die Geschichte differenziert aufgearbeitet werden konnte). Die Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Cornelia Rühlig, Museumsleiterin der Stadt Mörfelden-Walldorf, die schon entscheident für die Freilegung des Küchenkellers durch Schüler und Studenten und für den Bau des Lehrpfades sorgte, ist mit ihrem Team auch verantwortlich für die Realisierung der neuen Gedenkstätte. Die Kosten sind mit 400.000 Euro veranschlagt. Die Stiftung Flughafen Frankfurt/Main trägt davon 255.000 Euro und die Stadt Mörfelden-Walldorf 50.000 Euro. Weitere Sponsoren: Stadt Frankfurt und das Land Hessen.
Während des Gedenkens kamen Personen zu Wort, die ihre Gedanken vortrugen und über ihre Emotionen sprachen. Dazu zählte insbesonders Herbert J. (Jossy) Oswald, der mit Alfred J. Arndt und Gerd Schulmeyer das KZ-Außenlager entdeckte und den Mantel des Schweigens darüber in Walldorf öffnete. Aber auch die Zeitzeugen, Schüler und Studenten, die bei der Freilegung beteiligt waren, Klara Strompf, eine in Walldorf lebende ungarische Jüdin und Katja Schüler, die Enkelin der KZ-Überlebenden Lili Blau, machten betroffen und nachdenklich.
"Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch" (Bertold Brecht)
Einhausung der Grabungsstelle
Nach den Vorbereitungsarbeiten begann im Juli 2016 die Einhausung der Gedenkstätte.
Der Antransport des Stahlgerüstes bedeutete für den Transporteur eine umfangreiche Vorbereitung und Millimeterarbeit vor Ort.
Feierliche Eröffnung
der Gedenk- und Lehrstätte am
So., 25. September 2016, 15 Uhr.
Die von Ulrike Holler und Cornelia Rühlig moderierte Veranstaltung zeigt die
Zeitschienen Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft
jeweils unter den Perspektiven Menschenrechte und Menschenwürde.
Oberstufenschüler der Ricarda-Huch-Schule stellen Bilder zur Geschichte des Kellers unter der Küchenbaracke sowie seiner Freilegung.
Rabbinerin Elsa Klapheck spricht das Totengebet.
Programm
Besucher können Steine mit den 1.700 Namen der Inhaftierten beschriften und im Keller ablegen.
Musik: "Klezmers Techter"
Fotostrecke
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